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Kathrin Rabenort zeigt in ihrer neuen Ausstellung „sports-body-movement“ textile Skulpturen und Wandobjekte. Zu diesen installativ gezeigten Arbeiten gesellen sich eine Fotoarbeit und eine Serie kleinformatiger Collagen auf Papier. Alle Arbeiten sind im Zeitraum von 2006 bis 2011 entstanden, sie sind in Bezug auf die Siegener Räumlichkeiten zusammengestellt und stellen eine repräsentative Auswahl von Rabenorts künstlerischem Schaffen der letzten Jahre dar.

Die Themenbereiche, die die Künstlerin gegenwärtig erforscht werden im Ausstellungstitel benannt: Sport, Körper, Bewegung. In ihren plastischen und auch den hier ausgestellten Arbeiten auf Papier bewegt sich Rabenorts sehr zeitgenössische, surreal anmutende Formensprache zwischen Figuration und Abstraktion. Ihre Arbeiten sind angesiedelt in einer Zwischenwelt zwischen Kunst, Design und Alltagskultur, überdies, so möchte ich kühn erweitern, zwischen der gegenwärtigen Modeindustrie für Profisport oder Fitnessmode und einem Fundus für Sience-Fiction-Equipment.

Die Besonderheit der Rabenortschen Arbeiten liegt in den verwendeten Werkstoffen. Schon immer, so erzählte mir die Künstlerin, habe sie bevorzugt mit textilem Material, insbesondere mit Kleidung gearbeitet. Dabei benutzt sie selten Realia, also bereits getragene Kleidungsstücke oder Stoffe, die Erinnerungsspuren an ihre Träger besitzen. Die Stoffe der Objekte und Skulpturen in der heutigen Präsentation sind fabrikneu, makellos, was ihre artifizielle Erscheinung unterstreicht.

Am Anfang des plastischen Schaffens steht nach Aussagen Rabenorts eine Idee, ein Impuls, ein visueller Reiz oder eine neue ungewöhnliche Information, denen sie nachspürt. Mit einem vorläufigen Konzeptgedanke betritt sie ihr Kölner Atelier und beginnt künstlerisch zu experimentieren. Rabenort besitzt ein Materialarchiv, das sie hinsichtlich neuer Konzeptideen erweitert. Die unterschiedlichen Textilien − aber auch Materialien wie Formschaum, Hölzer oder Metalle − sind das bildnerische Ausgangsmaterial, das bereits eigene charakteristische Eigenschaften, Volumen und Formprägungen besitzt und zu umfangreichen bildhauerischen Gestaltungsprozessen inspiriert.

Das Themenfeld Sport stand bereits zu Anfang als inhaltlicher Bezug zu den hier ausgestellten Arbeiten fest, da Rabenort 2011 zu einer Präsentation im Deutschen Sport & Olympia Museum in Köln eingeladen wurde. So ergab sich für die Künstlerin die Gelegenheit, bereits vorhandene Konzeptideen weiterzutreiben und neue zu entwickeln.

Bleiben wir bei den Inspirationsquellen und dem Realitätsbezug zum Thema Sport. Am Beginn der künstlerischen Prozesse, die zu den einzelnen ausgestellten Arbeiten führten, standen beispielsweise ein geschenkter blauer Boxermantel (für die Skulptur „knockout“), Assoziationen zum Fankult der Bundesliga (für die Wandarbeit „selfmotoric“) oder die nachlebenden archaischen Männlichkeitsbilder im American Football. Bei den letzteren sind es insbesondere die uns von ihrem Aussehen her außergewöhnlich erscheinenden, den Körper verpackenden Uniformen neben den archaisch klingenden Mannschaftsbezeichnungen wie „vikings, falkons, unicorns“. Rabenort betitelt ihre ab 2006 entstandene Werkgruppe übrigens genau so, gleichfalls wie sie bei den übrigen Arbeiten mit konkreten Titel Assoziationsimpulse setzt.

Neben dem offensichtlich vorgeführten Alltagsbezug ist das Thema Körper für Rabenort ein Leitmotiv ihrer Kunst. Wie, so bleibt zu fragen, gestaltet sich konkret das Spannungsfeld von Kunst und Körper? In welchem Verhältnis stehen die zum Einsatz gebrachten Kleidungstücke zum menschlichen Leib, auf den sie zwangsläufig immer referieren, den sie repräsentieren und transformieren.

Betrachten wir uns zwei Arbeiten genauer:
Die Arbeit „Ringer I“ aus 2011 zitiert das klassische Ringertrikot, ein eng am Körper des Athleten anliegender, gewöhnlich aus strapazierfähigen Stoffen wie Nylon, Lycra oder Spandex gefertigter Sportanzug. Entsprechend ist die blau-weiße, an vier Metallketten aufgespannte Skulptur aus dehnbaren Stoffen gefertigt, ihre körperhaften Auspolsterungen sind aus Kunst-Schaumstoff, aus Holz und Metall.
Die künstlerischen Eingriffe an der Ursprungsform des Kleidungsvorbildes vielfältig. Rabenort nutzt klassisch bildhauerische Strategien der Formverdopplung, Umkehrung, Streckung und Zusammenfügung, um zu der neuen, eindrücklichen skulpturalen Gestalt zu gelangen. Hinzu treten eine Verschiebung der Größenverhältnisse und Volumen. Auf den ersten Blick sehen wir einen aufrecht stehenden, also „körperrichtigen“ Einteiler, auf den ein zweiter, in Hose und Oberteil umgekehrt stehender Einteiler montiert ist. Die Träger eines jeden Anzuges sind jeweils fest mit jenen des Zwillings verwachsen, wodurch sich statt Kopfbereich eine neue Körpermitte mit vier oval gedehnten Öffnungen ergibt. In ihrer Rundum-Ansichtigkeit gesellt sich zu der beschriebenen Vorder- und Rückansicht eine eigenständige, säulenschlanke und ballustradenartige Seitengestalt. Diese hat – und das ist sehr spannend – weder den offensichtlichen Bezug zum vestimären Vorbild noch repräsentiert sie den Körper des Sportlers. Die Skulptur erscheint seitlich als rein abstrakte Form.
Diese doppelte Erscheinungsweise als Körper oder als abstrakte Skulptur je nach Betrachterstandpunkt ist gleichfalls bei der hängenden Arbeit „knockout“ gegeben. Der abwesende Körper des Sportlers wird hier in Seiten- und in Vorderansicht repräsentiert. Wir sehen eine auf dem Kopf stehende hybride Verschmelzung eines Sandsacks und eines armlosen Boxermantels, mit dem Profiboxer sich verhüllen, auf ihrem Weg in und aus dem Ring. Das repräsentative Kleidungsstück ziert unübersehbar das aus Streifen bestehende Firmenemblem eines renommierten deutschen Sportausstatters. In Rückenansicht sehen wir eine große unregelmäßige, birnenartige Form mit kleinem Ableger-Rundling am unteren Ende.
Angesprochen wird über das in Schnitt und Farbe kopiertem textilen Urbild des Ringeranzugs einerseits und dem tatsächlich als Fundstück benutzten, allerdings umgeschneiderten Boxermantel andererseits die männlich dominierte Welt des Kraftsports.
Als ein Outfit, das mehr Körperlichkeit enthüllt als verhüllt verweist das knappe Ringertrikot zugleich auf Erotik und Sexualität. Denn es handelt sich beim vestimären Vorbild um ein Trikot mit sogenanntem „tiefem Schnitt“, bei dem die Träger ziemlich direkt am Hosenteil beginnen, so dass beim Tragen des Kleidungsstücks der Athlet mit nahezu entblößtem Oberkörper auftritt.
Zwar ist der Einteiler aus funktionalen Gründen so hauteng – der Träger ist so für den Gegner schwerer zu fassen und es entstehen bei Berührungen und beim Schleifen über die Matte keine Hautverletzungen – dennoch ist die extreme Körperbetonung auch eine Begleiterscheinung der öffentlich gewordenen erotischen Körperinszenierung in der Fitnessmode der letzten drei Jahrzehnte.

Dabei mutet die körperhafte Auspolsterung bei „Ringer I“ irritierend an, weil die Staffage und Nichtstaffage eher an einen knabenhaft-pubertären, wenn nicht gar weiblichen Körper als an einen männlichen Heroen-Körper erinnert. Es lässt sich keineswegs eine „Kraftprotzfigur“ mit baumstarken Oberschenkeln, schlanken Hüften, Waschbrettbauch und massiver Schulterpartie assoziieren. Womöglich ist dies ein augenzwinkerndes Statement der Künstlerin, vielleicht wollte Rabenort auch nur ein Gegengewicht zu den Heroenkörpern der Werkgruppe der „vikings, falcons, unicorns“ setzen. In jedem Falle bleibt bemerkenswert, dass der Körperbezug nicht in allen Arbeiten gleich stark präsent bleibt. So dominant wie er bei einzelnen Skulpturen oder Objekten aufscheint, um so schwächer bis hin zum Verschwinden ist er in anderen Arbeiten gesetzt.
Vielleicht lassen sich die starke Präsenz als auch das gleichzeitige Verschwinden der Körper in der Kunst Rabenorts als Zeitzeugnis lesen. Denn gegenwärtig, so warnen uns die Wissenschaften und unser kritischer Verstand, seien unsere durch Sportindustrie und Medizintechnik aufgerüsteten, gleichsam durch Unterhaltungs- und Kommunikationsindustrie stillgestellten Körper gefährdeter denn je. Kulturpessimisten geben den Kampf bereits verloren. Um so vehementer huldigen wir, wie Rabenort trefflich vorführt, den durch hartes Training geformten Heroenkörpern der „Königsblauen“, der „Werkself“ oder den „Wikingern“, den „Falken“ oder „Einhörnern“ in der Welt des Sports.

Ausstellung „Kathrin Rabenort. sports-body-movement“
Art Galerie Siegen
Eröffnungsrede von Stefanie Scheit-Koppitz
am Sonntag, den 28. April 2013, 11 Uhr